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Warum Ihr alter ATEX-zertifizierter Bohrer trotzdem sicher bleibt – und wo die Verantwortung des Herstellers ansetzt

Ein ATEX-Zertifikat bescheinigt, dass ein Gerät zum Zeitpunkt seiner ersten Inverkehrbringung die Anforderungen der ATEX-Richtlinie und die damals gültigen technischen Standards (den "State of the Art") erfüllt hat. Dieses Zertifikat bleibt grundsätzlich für die Lebensdauer dieses spezifischen Geräts gültig, solange es nicht verändert wird und bestimmungsgemäß eingesetzt wird. Ihr alter, zuverlässiger ATEX-Bohrer behält also seine Zertifizierung, auch wenn es heute neuere, technologisch fortschrittlichere Bohrer auf dem Markt gibt.

Ihre Macht als Anwender: "State of the Art" fordern – aber richtig!

Wo liegt dann aber Ihre Möglichkeit als Anwender, den Hersteller zu "belehren" und die Sicherheit zu fordern? Der Knackpunkt ist der "State of the Art", aber er bezieht sich auf verschiedene Aspekte:

  1. Für NEUE Geräte, die Sie KAUFEN:
    • Herstellerpflicht: Jeder Hersteller ist verpflichtet, neue Geräte, die er heute in Verkehr bringt, nach dem aktuellsten Stand der Technik zu konstruieren und zu zertifizieren. Ein Hersteller kann Ihnen heute kein Gerät verkaufen, das sich auf eine veraltete Norm beruft, wenn es bereits eine aktuellere, strengere Norm gibt.
    • Ihre Forderung: Als Anwender können und müssen Sie bei Neuanschaffungen verlangen, dass die Geräte dem aktuellen "State of the Art" entsprechen und nach den aktuellsten harmonisierten Normen zertifiziert sind. Fragen Sie nach der Konformitätserklärung und dem Baumusterprüfbescheinigung und prüfen Sie die dort aufgeführten Normen und die Aktualität des Datums. Hier können Sie den Hersteller ganz klar in die Pflicht nehmen!
  2. Für bereits im Betrieb befindliche, ältere Geräte (Ihre Bestandsgeräte):
    • Ihrer Betreiberpflicht (Explosionsschutzdokument): Obwohl das Zertifikat des alten Geräts gültig bleibt, sind Sie als Betreiber für die kontinuierliche Sicherheit Ihrer Anlage verantwortlich. Ihr Explosionsschutzdokument muss regelmäßig überprüft und aktualisiert werden. Im Rahmen dieser Überprüfung müssen Sie auch die Risikobewertung Ihrer vorhandenen Geräte kritisch hinterfragen.
    • Technologischer Fortschritt vs. Bestand: Wenn sich der "State of the Art" so gravierend weiterentwickelt hat, dass neue, effektivere Schutzmaßnahmen zur Verfügung stehen oder neue Risiken erkannt wurden, die Ihr älteres Gerät nicht ausreichend berücksichtigt, kann es im Rahmen Ihrer Risikobewertung notwendig werden, Ihr älteres Gerät nachzurüsten oder sogar zu ersetzen. Dies ist keine Frage der Zertifikatsgültigkeit des Herstellers, sondern Ihrer Betreiberpflicht, die höchstmögliche Sicherheit zu gewährleisten.
    • Ihre Forderung an den Hersteller (indirekt): Hier können Sie den Hersteller nicht direkt für die "Veraltung" eines bereits verkauften Geräts belangen. Sie können ihn aber dazu auffordern, Wartung, Ersatzteile oder Nachrüstsätze anzubieten, die den aktuellen Sicherheitsstandards entsprechen, oder Sie bei der Risikobewertung Ihrer Bestandsgeräte zu unterstützen. Fragen Sie nach Empfehlungen, wie ältere Geräte unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnisse sicher betrieben werden können.
  3. Bei Änderungen am Produkt durch den Hersteller:
    • Herstellerpflicht: Wenn der Hersteller an einem seiner zertifizierten Produkte Änderungen vornimmt (Design, Bauteile, Leistung etc.), die Einfluss auf die ursprüngliche Bewertung hatten, muss er diese Änderungen bewerten und gegebenenfalls das Zertifikat aktualisieren oder eine Variantenbescheinigungausstellen.
    • Ihre Forderung: Wenn Sie als Anwender erfahren, dass Ihr Hersteller eine Produktlinie modifiziert hat, die Sie ebenfalls nutzen, können Sie nach den aktualisierten Zertifikaten oder Konformitätserklärungen für diese neue Version fragen.

Fazit für den Anwender: Seien Sie informiert und vorausschauend!

Ihre Macht als Anwender liegt darin, zu verstehen, wann welche "State of the Art"-Anforderungen greifen.

  • Bei Neukauf: Fordern Sie kompromisslos, dass die Geräte dem aktuellsten Stand der Technik entsprechen und dies durch aktuelle Zertifikate belegt ist.
  • Im Bestand: Überprüfen Sie im Rahmen Ihres Explosionsschutzdokuments regelmäßig die Risiken Ihrer gesamten Anlage, einschließlich älterer ATEX-Geräte. Wenn der technologische Fortschritt signifikant höhere Schutzstandards bietet, die für Ihr spezifisches Risiko relevant sind, müssen Sie als Betreiber handeln.

Durch das Verständnis dieser Unterschiede sind Sie in der Lage, die Hersteller gezielt zu befragen und zur Verantwortung zu ziehen, wodurch Sie die Sicherheit in Ihrem Unternehmen langfristig auf einem hohen Niveau gewährleisten können.

ATEX-Zertifikat Modul B: Warum das alleine nicht ausreicht – Haftungsrisiken vermeiden!